Wo Denken atmet – Momentaufnahmen am Château d’Orion, oder einfach: Die Zeit außerhalb der Zeit
Ein unbeschreibliches Gefühl erfasst mich, als ich den Wasserturm von Orion aus weiter Ferne erblicke. Zielstrebig fahren wir über die idyllischen Landstraßen des Béarn des Gaves, voller Vorfreude auf ein Wiedersehen im Château d‘Orion. Dieses Mal reise ich nicht allein – sondern an der Seite von Hannes, der die Denkwoche mit Rudolf Lüthe kulinarisch begleiten wird.
Sieben Monate war es her, als ich mit dem stillen Versprechen abreiste, es nicht beim Denken zu belassen, sondern mutiger und entschlossener die Welt gestalten zu wollen. Neun Monate war es her als ich erstmals mit dem TGV in den Südwesten Frankreichs reiste - zurück in die Rolle der Praktikantin.
Die Komfortzone ist kein Ort, an dem ich lange verweile, doch sicher ist auch, dass diese praktische Lernerfahrung weit über meinen Tellerrand hinausging. kein bloßer Perspektivwechsel – sondern ein Schritt hinein in ein Denken, das seit zwanzig Jahren an diesem Ort gedeiht und den Blick über den Tellerrand nicht nur erlaubt, sondern fordert.
Ich weiß noch, wie herzlich mich meine Mitpraktikantin Anjes an einem wolkenbehangenen Herbsttag am Bahnsteig empfing. Gefolgt von einer warmen Umarmung durch Elke, die ganz in ihrem Element in der Küche wirkte. Und wer Elke kennt, weiß: Da geht’s ans Eingemachte – denn Essen ist hier nicht bloße Nahrungsaufnahme, sondern ein tägliches Fest für alle Sinne, das volle Aufmerksamkeit verdient. Ihre Tatkraft steckte mich direkt an – bereit anzupacken und mich in das Geschehen zu werfen.
Schließlich standen uns drei Wochen Halligalli uns das Festival Terre et Temps bevor.
Auch Tobi, der Möglichmacher dieses besonderen Ortes, wuchs mir auf Anhieb ans Herz. Mit großer Hingabe widmet er sich dem unsichtbaren Rückgrat des Hauses: Der Organisation, Planung und Struktur. Besonders von Bedeutung, wenn es um die Umsetzung eines visionären Festivals geht, für dessengleichen es keinen Blueprint gibt.
Im Ausnahmezustand verwandelten wir das Château und die umliegende Region gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern in einen Raum für interdisziplinäre Kunst und Dialog – ohne Grenzen. Keine Bühne der Selbstinszenierung, sondern ein Resonanzkörper und Möglichkeitsraum.
Unter dem Sternbild Orions veränderte sich nicht nur die Qualität des Denkens und Sprechens - auch das Fühlen wurde zum zentralen Reflexionsfeld. In der Begleitung durch Anjes öffnete sich ein Raum für Vertrauen, Kraft und Schwäche. Dieser Tiefgang fand besonderen Ausdruck in der Denkwoche „Kraft und Schwäche – Zutaten für den Wandel“ mit Christine und Celina. Zum Vorschein kam, was sich im Innern bewegte - getragen von einer wohltuenden Atmosphäre und intimer Vertrautheit.
Als un-fertige Subjekte finden wir uns in die Welt gestellt. Es liegt an uns, Stärke in besonderer Individualität zu finden – aus ihr heraus wirksam zu werden, um jenes kostbare auf die Bühne zu tragen, was gesehen werden will.
Was ist es was dich schwach und rastlos macht? Ist es nicht gerade das Un-vollkommene, das deine Zuwendung sucht?
Wie die Katze nach dem Sprung – gleichzeitig wissend und suchend, auf dem Weg und angekommen – kehrte ich im Frühsommer dieses Jahres zurück. Es gäbe so vieles zu sagen, was seit dieser Woche gedanklich in mir weiterlebt. Und endet hier – bei der „schreitenden Umarmung des Lebens“, dem „wachen Blick“ und „klaren Ausdruck“.
Einer Haltung, die ihr lieben – Elke, Tobi, Anjes, Damien, Celina, Christine, Rudolf, Cédric, Carlos und viele mehr – auf dieser fortwährenden Reise möglich gemacht, bereichert und beschenkt habt.
Mit herzerfülltem Dank und tiefer Verbundenheit,
Eure Claire
PS: Ist das immer noch die gleiche Playlist? Ich hoffe die Musik spielt weiterhin munter in der Küche ab :-)